tierliebend und verantwortungsvoll

René blickte als Heroinsüchtiger in Abgründe. 

«Aufgewachsen bin ich in der Ostschweiz. Mein Vater war hart zu sich und uns. Meine Mutter litt darunter ebenso wie mein Bruder und ich. Ich war ein aufgeweckter Bub, der sich für vieles interessierte. So stibitzte ich meiner Mama schon als Primarschüler erstmals eine Zigarette. Das Kribbeln und das Gefühl des leichten Schwindels beim Inhalieren faszinierten mich. Bald hatte sich mein Körper daran gewöhnt. Ich brauchte anderes, um dieses Gefühl wieder zu erleben. So rutschte ich in die Drogen, nahm schliesslich Heroin. Ob ich es bereue? Ich rate allen, die Finger davon zu lassen. Die Sucht ist stärker als du es bist. Meist gibt es keinen Weg zurück, und du verlierst deine Unabhängigkeit komplett. Aber als junger Mensch musst du die Freiheit haben, Dinge auszuprobieren. Sonst lernst du nichts. Wie auch immer, nach meiner Lehre als TV-Verkäufer rutschte ich vollends in die Drogensucht ab.

Vom Heroin los kam ich vor 23 Jahren: Ich war mit Geld in der Tasche auf dem Weg zum Arzt, als ich einen Kumpel antraf, der mit einem Hunde-welpen unterwegs war. Im Verlauf unseres Gesprächs sagte mein Kumpel plötzlich, er brauche jetzt einen Schuss. Ich blickte in die traurigen Augen des kleinen Hundes und wusste sofort, was ich zu tun hatte. Ich gab dem Kumpel mein Arztgeld und nahm den Hund in die Arme. Gleichzeitig war mir klar: Wenn ich weiter Heroin nehme, wird der Hund verwahrlosen oder gar verhungern. Von diesem Tag an rührte ich Heroin nicht mehr an.

Dass ich es schaffte, habe ich aber wohl Pfarrer Sieber zu verdanken. In mein Leben trat er zu Beginn der 90er-Jahre. Damals hörte ich, dass er Süchtige zu einer Landsgemeinde aufs Rütli eingeladen hatte und er die Fahrt dahin bezahlen würde. Ich dachte mir zunächst: Ein Pfarrer, der sowas macht? Ich konnte es nicht fassen. Neugierig fuhr ich hin und begegnete Ernst erstmals. Wie er mit uns sprach, war einmalig. Tief berührte mich, als er mir zum Abschied sagte: Bhüet di Gott! Ich war nicht gläubig, aber diese Begegnung löste in mir etwas aus. Ich fand inneren Frieden und Dankbarkeit für die kleinen Schönheiten des Lebens. Mir wurde klar, dass ich das Leben nicht wegwerfen, im Dämmerzustand an mir vorbeiziehen lassen wollte.

Mit Chili, meinem dritten Hund, lebe ich heute glücklich in einer Überbauung in Zürich-Nord. Es freut mein Herz zu sehen, wie die Kinder auf dem Spielplatz mit Chili spielen. Was mich auch sehr berührt: Der gute Geist von Pfarrer Sieber lebt in seinen Einrichtungen fort. Das erlebte ich eindrücklich, als ich jüngst für eine längere Zeit in das Spital Sune-Egge einrücken musste. Wo bloss sollte ich Chili während dieser Zeit unterbringen? Ich war in grosser Sorge, wusste keine Lösung. Wie sich dann die Pflegerinnen, ja sogar ein Arzt persönlich um das Problem kümmerten, haute mich fast aus den Socken. Sie zogen gar in Erwägung, meine geliebte Chili abwechselnd bei sich zuhause aufzunehmen. Schliesslich fanden sie über die Gassentierärztin von Pfarrer Sieber eine Hundepension. Dass sich medizinisches Personal rührend um ein solches Problem eines Patienten kümmert, ist aussergewöhnlich. Dafür schätze ich die Sieber-Leute sehr.» 

• Aufgezeichnet von Walter von Arburg