Mit neuem Lebensmut

Ein Unglück kommt selten allein: Innert kürzester Zeit erlitt Jakob einen schweren Unfall, wurde bestohlen und verlor sein Zuhause.

«Ich bin ein aktiver und lebenslustiger Mensch und habe etwas Zigeunerhaftes. Ich liebe den minimalistischen Lebensstil, und so lebte ich viele Jahre in einem Wohnwagen. Einst besass ich ein grosses Haus. Dieses überliess ich bei der Trennung meiner Frau und den Kindern. Mein Leben lang habe ich studiert, gearbeitet, Weiterbildungen gemacht und bin viel gereist. Im Alter von 27 hatte ich bereits in 40 Ländern besucht.

So war ich auch heuer, mit 67 Jahren, auf einer langen Reise im Iran. Dort erlitt ich eine Verletzung an den Beinen, und es wurde so schlimm, dass ich zurückkommen musste. Auf der Rückreise wurde mir in Frankfurt mein Rucksack mit allen Wertsachen gestohlen. Es gelang mir, ohne Pass in die Schweiz zurück zu kehren. Endlich in der Heimat erfuhr ich, dass mein Wohnwagen geräumt worden war, da ich mich zu lange nicht gemeldet hatte. Ich wanderte umher und sass 16 Stunden ohne Unterbruch auf einer Bank. Als ich aufstehen wollte, schmerzten meine Beine so sehr, dass ich nicht aufstehen konnte. Ich wurde ins Spital gebracht. Nach vier Tagen stellten sie mich vor die Tür. Da stand ich ohne nichts. Mir blieb nur eine riesige Ohnmacht. So eine Situation hatte ich noch nie erlebt und musste mich sortieren. Wenn man viel draussen rumlungert, lernt man schnell andere kennen, die auch rumlungern. Am Limmatplatz fragte mich ein Mann nach einer Zigi, ich erzählte ihm meine Geschichte. Er sagte mir: «Geh' in die Sunestube, dort hilft man dir.» Es kostete mich Überwindung. Überrascht stellte ich fest: Es ist ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte.

Das Angebot der Anlaufstelle Sunestube ist weit grösser, als in der Info-Broschüre steht. Die Atmosphäre ist schön und man spürt, man ist hier willkommen. Ich erhielt die nötigsten Hygieneprodukte und Kleider. Zudem konnte ich mich verköstigen. Das Animationsprogramm der Sunestube hat mir geholfen, wieder Struktur in die Tage zu bringen. Das war für mich essentiell, um wieder Boden unter den Füssen zu spüren. Die Sunestube bietet die Möglichkeit, auf eine Veränderung hinzuarbeiten. Jeden Donnerstag kommt ein Sozialarbeiter von der Sozialberatung des SWS vorbei. Zusammen haben wir herausgefunden, welche Schritte ich in welcher Reihenfolge tun kann. Und genau so machte ich es. Durch diese Notversorgung wich die Ohnmacht immer mehr. Ich habe ein Notbett gefunden im Haus der Zuflucht.

Früher bei der Arbeit war ich immer zielorientiert. Ich habe nun gelernt: Nicht das Ziel, sondern der Weg ist das Ziel. Der Boden unter meinen Füssen ist wieder da. Nun gehe ich Schritt für Schritt.»

• Claudia Hedinger, ehem. Mitarbeiterin