Wir wollen der Angst nicht zuviel Raum geben

Tabitha Gerber ist Teamleiterin unserer Notwohnsiedlung Brothuuse. Sie schildert, wie Corona das Leben der Bewohner verändert hat. 

Tabitha, wie reagierten die Bewohnerinnen und Bewohner auf die Situation? 

In den ersten zwei Wochen herrschte viel Unruhe. Es war hektisch und etwas chaotisch, weil die Massnahmen und Empfehlungen jeden Tag änderten. Für die Bewohner war unklar, was es für sie persönlich bedeutete. Inzwischen haben sie sich daran gewöhnt und halten sich gewissenhaft an die Vorschriften. 

Hat Corona die Menschen verändert? 

Unsere Bewohner sind da wie der Rest der Bevölkerung: Die einen nehmen es locker, die anderen sind verängstigt. Ich nehme grundsätzlich ein höheres Redebedürfnis war. Und die Gespräche haben sich verändert. Sie sind irgendwie persönlicher und fokussierter geworden. 

Was heisst das? 

Nebensächliches spielt keine Rolle mehr, man kommt rasch zum Wesentlichen. Bewohnern sagen mir noch häufiger, dass sie glücklich sind, hier zu sein. Und dass sie dankbar sind, ein Dach über dem Kopf zu haben, Sozialhilfe, IV oder Arbeitslosenunterstützung und damit ein sicheres Einkommen zu haben. Die Dankbarkeit der Bewohner berührt uns sehr. 

Hat die Pandemie den Alltag der Bewohner verändert? 

Ja, diverse Hilfs-, Beschäftigungs- und Beratungsangebote in der Stadt sind geschlossen worden. Sie hatten unseren Bewohnern Antrieb gegeben. Mit dem Wegfallen können die meisten vorderhand umgehen. Aber auf lange Sicht dürfte das schwierig werden. In Brothuuse selbst mussten die Haussitzungen ausgesetzt werden. Wir vom Leitungsteam tragen Masken und Handschuhe, wenn wir Räume betreten. Und wir beharren auf dem Sicherheitsabstand. Das ist nicht einfach, sind doch Gespräche enorm wichtig für das Zusammenleben und auf Distanz nicht gleich gut zu führen. 

Was sind die grössten Herausforderungen für dich und dein Team?

Wichtig ist, dass wir Angst und Unsicherheit nicht zu viel Platz einräumen. Und dass es uns gelingt, wenn jemand um Aufnahme in Brothuuse bittet, mit Augenmass abzuwägen zwischen dem Wohnbedürfnis eines Interessenten und dem Schutz unserer Bewohner. (arb)