Mit Flipflops und Kuscheltier

Eine schmale Frau sitzt mit nackten Füssen in Flipflops auf der Nottreppe unseres Fachspitals Sune- Egge und dreht sich eine Zigarette – die klirrende Kälte scheint ihr nichts auszumachen. Ich selbst habe mich neulich morgens auf dem Velo nur schon geärgert, weil ich meine Handschuhe vergessen habe ...

Im Fachspital frage ich, ob jemand die Frau mit den Flipflops kennt und ob wir nicht Socken und Schuhe für sie finden. «Hat sie ein Kuscheltier dabei?», werde ich gefragt. Es stellt sich heraus, dass sie hier Patientin ist. Ihr fällt es schwer, sich um sich selbst zu kümmern, immer wieder geht sie barfuss los. Ihr Kuscheltier vergisst sie jedoch nie.

Der Winter macht unseren Auftrag deutlicher sichtbar als jede andere Jahreszeit: Es geht um mehr, als die Befriedigung materieller und medizinischer Grund bedürfnisse, es geht um das Wohl des Menschen in seiner Ganzheit. Erst wenn es einem Menschen gelingt, Vertrauen zu fassen, können wir nachhaltig helfen und kann eine Heilung beginnen. Wir können zwar Füsse verbinden und Menschen von draussen in die Notschlafstellen bringen, aber ich wage es pointiert zu sagen: Die Heilung beginnt im Herzen.

Als ich einige Zeit später den Sune-Egge verlasse, sehe ich die Frau wieder. Sie hat sich Schuhe anziehen lassen und trottet die Strasse entlang. Ich hoffe, dass ihr Kuscheltier eines Tages nicht mehr die fehlende zwischenmenschliche Wärme ersetzen muss. Und ich weiss, dass sie abends wieder zu uns findet: Ein Anfang.


• Ihre Friederike Rass, Gesamtleiterin

Bild (c) 2022 Midjourney AI, Lizenz: CC BY-NC 4.0