wunschlos

Der Lebensmittelpunkt von Christian Fischer (42) ist Thailand. Er plante, für ein Jahr in der Schweiz zu arbeiten. Nun hat der Krebs seine Pläne durchkreuzt.

Ein Schock
Am 22. August 2022 hätte meine Anstellung bei der Post in Härkingen begonnen. Ich wollte Geld verdienen und so viel wie möglich an meine Familie in Thailand überweisen. Der Arbeitsvertrag für ein Jahr war unterschrieben. Ein Zimmer hatte ich auch. Doch am 21. August brach ich in Olten zusammen. Ich erwachte erst wieder im Spital. Darmkrebs. Eine Operation habe ich schon hinter mir; den Dickdarm haben sie entfernt. Der Krebs hat gestreut. Hey, da verlierst du den Boden unter den Füssen. Ich nahm sofort Kontakt mit meiner Freundin in Thailand auf. Sie brach am Telefon zusammen. Mein 23-jähriger Sohn weinte.

Zwei Welten
Bisher hatte ich eigentlich ein gutes Leben. Zwar starb meine Mutter bei einem Unfall im Gotthardtunnel, als ich fünf Jahre alt war. Mit sieben Jahren zog ich dann zusammen mit meinem Vater nach Thailand. Ich besuchte dort die Schulen und studierte Biologie an der Uni Bangkok. Nebst Schweizer Mundart spreche ich Englisch und Thailändisch. Ich pendelte zwischen der Schweiz und Thailand hin und her. Bei der Bühler AG lernte ich Müller, legte die LKW-Prüfung ab und fuhr Lastwagen. In der Schweiz verdiente ich immer wieder Geld, das in Thailand weit reichte.

Sieben Chemos
Jetzt hat das Schicksal zugeschlagen. Die Ärztin aus dem Spital in Olten hat mir gesagt, ich hätte noch 14 Tage zu leben. Dann stellte sich heraus, dass es eine falsche Information war. Da verlor ich das Vertrauen in sie und habe zur Behandlung ans Unispital Zürich gewechselt. Bisher hatte ich sieben Chemotherapien, aber sie schlagen nicht an. Scheisse ist das – aber kein Tiefpunkt. Als das Kind einer Bekannten in Thailand starb, war das krasser. In Thailand hast du die Armut immer vor Augen. Aber ich selber war nie arm. Ich nahm nie Drogen, trinke keinen Alkohol. 

Temporäres Zuhause
Als ich in Zürich ein Zimmer suchte, hörte ich, dass die Übernachtung im Pfuusbus gratis sei. Ich konnte es gar nicht glauben: in der Schweiz etwas gratis? Seit Dezember schlafe ich nun hier. Und ehrlich gesagt, ich sehe die Welt und die Menschen nun mit den Augen von Pfarrer Sieber. So viele Menschen brauchen den Pfuusbus und die Sunestube. Ohne solche Einrichtungen hätte Zürich viel grössere Probleme.

Der Kreis schliesst sich
Ich habe mein bisheriges Leben genossen und war gerne mit Leuten zusammen: Barbecue, Bowling, Thaiboxen, Fussball und Rollhockey. Ob ich einen letzten Wunsch habe, fragen mich viele. Ich weiss keinen. Ich denke: In Affoltern am Albis hat mein Leben begonnen, da irgendwo in der Region möchte ich auch begraben werden.

• aufgezeichnet von Helena Gysin