Leben ist Beziehung

Der Mensch braucht andere Menschen, um sich selbst zu sein.


Die beiden Männer, nennen wir sie Robert und Erich, haben sich auf der Strasse kennengelernt. Beide sind kräftig gebaut. Sie können zupacken und tun dies auch, wenn sie als Gäste im Pfuusbus bereitwillig Tische und Sitzbänke umstellen und Waren einräumen, wenn Not am Mann ist. Robert und Erich sind freundliche Riesen. Wenn sich im Pfuusbus andere Gäste in die Haare geraten, intervenieren sie mässigend, aber bestimmt. Allerdings müsste dies alles in der Vergangenheitsform formuliert sein. Erich erlag unlängst einer langjährigen Erkrankung. Die Nachricht von Erichs Tod erschütterte viele. Robert jedoch traf die Nachricht bis ins Mark. Für ihn ging mit seinem Weggefährten ein Teil seines Lebenswillens und seiner Lebensfreude verloren.

Viele der sich uns anvertrauenden Menschen haben diese Erfahrung gemacht. Fielen Eltern, Freunde oder Arbeitskollegen weg, blickten sie in den Abgrund der Einsamkeit. Wenn sie zu uns kommen, brauchen sie zu essen, einen Schlafplatz, frische Kleider. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Ebenso wie eine Tasse warmen Kaffees, einen trockenen Schlafplatz und einen sauberen Wundverband brauchen sie Menschen mit offenen Ohren und Herzen, die sich ihnen zuwenden.

«Der Mensch wird am Du zum Ich», formulierte es der Religionsphilosoph Martin Buber (1878–1965). Pfarrer Sieber erinnerte daran wiederholt in seinen Predigten und betonte: «Wir alle gehören zusammen. Einzeln sind wir nicht komplett.» Martin Buber brachte es so auf den Punkt: «Alles wirkliche Leben ist Begegnung.» Wir brauchen Beziehungen. Beziehung aber entsteht aus Begegnung. Das muss uns stets wichtig sein, bei allem, was wir tun. 

• Walter von Arburg, Kommunikationsbeauftragter