Die Einsamkeit macht alles noch schwerer

Im vergangenen Jahr haben rekordverdächtig viele Menschen bei uns Hilfe gesucht. Wir sind und bleiben gefordert. 

Im vergangenen Jahr zählten unsere bereits zuvor stark frequentierten Anlaufstellen Brot-Egge und Sunestube rund einen Drittel mehr Besuche als im Vorjahr (siehe Seite 4). Auch unsere Gassenarbeiter trafen insbesondere nachts mehr Menschen in Notlagen an, als je zuvor, und die Übernachtungszahlen in unseren Notschlafstellen sind deutlich gestiegen. Im Nemo (Kapazität von 10 Betten), unserer ganzjährig betriebenen Notschlafstelle für jugendliche Obdachlose, zählten wir vom 1. Januar bis 31. Dezember 2‘931 (2‘398) Übernachtungen. Im Pfuusbus (36 Betten), unserer Notschlafstelle für einheimische Obdachlose, die wir jeweils im Winterhalbjahr vom 15. November bis 15. April betreiben, stiegen die Übernachtungszahlen seit 15. November bis Ende Jahr um über 20 Prozent auf 1‘649 (Vorjahresperiode 1‘335) Übernachtungen. Im Iglu (30 Betten), unserer Notschlafstelle für obdachlose Arbeitsuchende aus dem Ausland, registrierten wir 1‘284 (1‘276) Übernachtungen. In unserem Kleiderladen händigten wir insgesamt 2‘504 (2‘400) Kleidungsstücke aus.

In unserer Arbeit geht es zunächst um existenzielle materielle und medizinische Bedürfnisse. Menschen brauchen Nahrung, Kleidung, Schlafmöglichkeiten, Medizin. Es geht ums nackte Überleben. Wir stellen aber immer wieder fest, dass das Verbinden einer Wunde, das Aushändigen eines Schlafsacks oder das Stillen des Hungers nur ein erster Schritt ist. Denn wer obdachlos, suchtkrank und entwurzelt ist, leidet nicht nur physisch, sondern ist vor allem einsam. Und so kommt der Beziehungspflege unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine entscheidende Bedeutung zu. Sie lässt sich jedoch schlecht messen. Dennoch mag ein Blick auf die vom Seelsorgeteam geführten Ge-spräche einen Anhaltspunkt geben. Unsere Seelsorgerin und zwei Seelsorger (mit ins-gesamt 240 Stellenprozenten) führten auf der Strasse und in unseren Einrichtungen im vergangenen Jahr 2‘050 Ge-spräche mit meist verzweifelten Menschen.

Den steigenden Ansprüchen gerecht zu werden, bringt unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu-nehmend an ihre Belastungsgrenzen. Zumal die sich an uns wendenden Menschen nicht nur ein einzelnes Problem haben, sondern stets ein ganzes Problemknäuel. Die Situation hat sich im neuen Jahr nicht entspannt. Wir bleiben gefordert – und stehen Notleidenden auch unter erschwerten Bedingungen im Sinn und Geist unseres Stiftungsgründers mit offenen Ohren und Herzen sowie Rat und Tat zur Seite.

• Walter von Arburg, Kommunikationsbeauftragter