lachen und weinen

Was mir in unseren Anlaufstellen immer wieder auffällt, ist das Lachen. Bei allem Trubel und kleinen und grossen Frustanfällen: Das Lachen ist immer da – mal verschmitzt, mal laut heraus, mal ein schüchternes Verziehen der Mundwinkel, bis dann doch das ganze Gesicht strahlt.

Es gibt auch allerlei fröhliche Eigenarten: Der eine sammelt und trägt mit viel Stil und Souveränität rosarote Zipfelmützen, die andere fädelt geduldig bunte Perlen zu Armbändern und verschenkt ihre Werke grosszügig.

Einzelne Gespräche können ohne Vorwarnung rasch zu unerwarteter menschlicher Kälte und Einsamkeit führen. Die Erzählungen lassen mir manchmal fast keine Luft. Wie kann ein Mensch das ertragen, denke ich manchmal und versuche, die Geschichte mit dem sanften, zurückhaltenden Wesen, das mir gegenüber sitzt, zusammenzubringen.
Und dann schauen sie mich an, und sagen mitten in einem tiefen Gespräch mit einem schelmischen Grinsen etwas so Unerwartetes, dass ich einfach nicht anders als lachen kann. «Wie häsch du das gschafft, all die Jaar uf de Gass?» «Ich bi mit em Velo umegfahre. Da git’s ja vill z’gseh.»

In ihrem Leben sind sich unsere Gäste häufig selbst die einzige verlässlicheKonstante. Sie sind viel mit sich allein und kennen sich so gut wie niemand anders. Es braucht Kraft, sich nicht zu verlieren und sich wieder zu lösen. Ich weiss oft nicht, wie die Geschichten, die sie mir erzählen, wirklich abgelaufen sind – unseren Klienten fehlt manchmal diese Sicherheit der Erinnerung. Und doch haben sie ihr Wesen darin bewahrt. Ihre Mitmenschlichkeit. Ihren Witz. Ich bin für diese Momente sehr dankbar. In ihnen siegt die Menschlichkeit.

• Friederike Rass, Gesamtleiterin