Er macht Mut

Roger Jungo (41) war während 20 Jahren drogensüchtig. Heute ist er erfolgreicher Unternehmer und unterstützt das Nemo, unsere Notschlafstelle für Jugendliche.

Sehnsucht nach Geborgenheit
«Ich wäre dankbar gewesen, wenn es das Nemo damals schon gegeben hätte, als ich als Jugendlicher obdachlos war und nicht wusste, wo ich übernachten könnte», sagt Roger Jungo. Der gebürtige Freiburger weiss, wovon er spricht. Nach einer, wie er selbst sagt, unschönen Kindheit rutschte er als 16-Jähriger über eine Freundin in die Drogen und kam zwei Jahrzehnte nicht davon los. Immer wieder war er obdachlos. «Notschlafstellen für Erwachsene mied ich», erinnert er sich. «Als Jugendlicher bist du ganz unten in der Hackordnung», sagt er. «Missbrauch und Gewalt wollte ich nicht erleiden, daher zog ich es vor, draussen oder bei Kumpels zu übernachten. Nicht wirklich bessere Lösungen, aber für mich damals Alternativen.» Roger Jungo ist dankbar, dass er den Ausstieg geschafft hat und seit bald sieben Jahren clean ist. Weil er weiss, wie wichtig eine zielgruppengerechte Notschlafstelle ist, unterstützt er nun das Nemo, unsere Notschlafstelle für Jugendliche und junge Erwachsene, mit Geld aus seiner Arbeit als Möbeldesigner. «Ich möchte, dass Jugendliche in Krisensituationen einen Ort haben, wo man ihnen hilft, einen neuen Weg zu finden.»

Ehrlichkeit hat sich gelohnt
Körperlich sieht man Roger Jungo die 20 Jahre Sucht und Obdachlosigkeit nicht an. Kräftige Arme und ein offener Blick machen glauben, dass einem hier ein Naturbursche gegenübersteht, der kein Wässerchen trüben kann. Dabei hatte er praktisch alles eingenommen, was man sich vorstellen kann: Es begann mit Ecstasy, rasch kamen Speed, Crystal Meth, Heroin, Kokain, Mescalin etc. dazu. «Ich hatte wohl auch einfach Glück», gibt er unumwunden zu. «Ich konsumierte nie intravenös und trieb auch als Süchtiger regel­mässig Sport.» Den Ausschlag für den erfolgreichen Ausstieg gab ihm die Liebe. «Während meines Entzugs in einer Klinik wurde mir klar, dass ich eigentlich etwas anderes suchte als den Drogenkick – ich wollte geliebt werden und mit meinem Leben etwas Sinnvolles tun.» So meldete er sich auf einer Dating-Plattform an – und fand Stefanie, seine heutige Frau und Mutter ihres gemeinsamen Sohnes. Roger legte die Karten von Anfang an auf den Tisch und klärte Stefanie über seine Situation und seine Sucht auf. Ein wichtiger Beweis seiner Aufrichtigkeit. «Es hat gleich gefunkt, als wir uns das erste Mal sahen», sagen beide übereinstimmend. «Meine Mutter hatte mir einst versichert, dass ich es untrüglich merke, wenn ich dem Richtigen begegne», sagt Stefanie rückblickend. Und so sei es mit Roger gewesen.

Aus gutem Holz geschnitzt
Nach Entzug und Therapie begann sich Roger im Selbst­studium intensiv mit dem Schreinern auseinanderzusetzen. Rasch entwickelte er ein Flair für Tische, begann im Internet nach Hölzern zu suchen und fertigte zunächst im fünf Quadratmeter grossen Keller ihrer Wohnung erste Tische. «Ich zahlte viel Lehrgeld. Immer wieder misslang es, ich ärgerte mich und fluchte, gab nie auf und tüftelte weiter», erinnert sich Roger. Heute verarbeitet er in seiner riesigen Werkstatt in Niederbipp Hölzer mit be­sonderen Geschichten zu aussergewöhnlichen Tischen – alles Unikate. «Ich habe Freude an meiner Arbeit und an meiner Familie. Ich bin glücklich, den Ausstieg geschafft zu haben», sagt Roger Jungo. Man glaubt es ihm aufs Wort. Und doch schwingt eine dunkle Note mit: «Ich bin vorsichtig, denn ich bin mir bewusst, dass ich nie vor einem Rückfall gefeit bin.» Er rührt deshalb kaum Alkohol an und geht selten in den Ausgang. 

Zeigen, dass man es schaffen kann
Mit der Unterstützung fürs Nemo will er etwas von seinem Glück weitergeben. Und perspektivlosen, jungen Menschen Hoffnung geben. «Ich will Jugendlichen, die heute an dem Punkt sind, an welchem ich damals war, Mut machen. Das Nemo kann die Insel im Meer der Hoffnungslosigkeit sein, die es braucht, um zu neuen Ufern aufzubrechen.»

• Walter von Arburg, Leiter Kommunikation