Wir alle brauchen Perspektiven

Von Obdachlosigkeit und Sucht wegzukommen, ist enorm schwierig. 
Wir setzen alles daran, dass dies gelingt. Gerade bei Jugendlichen.

Im Nemo, unserer Notschlafstelle für Jugendliche, sehen wir in die Abgründe unserer Gesellschaft. 2022 suchten 161 junge Menschen während insgesamt 2ʹ000 Nächten im Nemo Schutz und Hilfe. Das sind 46 mehr als im Vorjahr. Sie haben schlimme Erfahrungen in ihren Familien, in Heimen oder Kliniken gemacht. Erfahrungen von Gewalt und Missbrauch, die ihrer jungen Seele zusetzen und sie traumatisieren. «Meist fehlt es den Heranwachsenden an guten Vorbildern, so dass sie keine positiven und wirkungsvollen Handlungsstrategien für das verantwortungsvolle Leben in der Gesellschaft entwickeln konnten», sagt Ursina Liggenstorfer. Sie leitet unsere Sozialberatung, die für die Suche nach Anschlusslösungen für die Jugendlichen verantwortlich ist. «Psychische Erkrankungen führen zu schwierigem Verhalten und Sucht, was wiederum zu Zurückweisung in der Gesellschaft und Überforderung bei Beiständen und in Heimen, Kliniken etc. führt», beschreibt Ursina Liggenstorfer den Teufelskreis, mit dem sie und ihr Team täglich konfrontiert sind. So landen die Jugendlichen immer wieder auf der Strasse. «In unserer täglichen Arbeit stellen wir fest, dass niederschwellige Angebote für solche vom Leben bereits stark gezeichneten jungen Menschen fehlen», sagt Liggenstorfer. Das erschwere die Arbeit enorm. Und knickt Hoffnungen. «Dabei wäre es doch für uns als Gesellschaft wichtig, dass gerade Jugendliche nicht abgehängt werden, sondern Perspektiven erhalten.»

Es ist eine Herkulesaufgabe, den im Nemo gestrandeten jungen Menschen zu Hoffnung und tragfähigen Perspektiven zu verhelfen. Die Abklärungen bei Ämtern und Institutionen für passende Anschlusslösungen gestalten sich oft schwierig und langwierig. Dennoch gelingt es dem starken Team der Sozialberatung immer wieder, Anschluss­lösungen zu finden. «Finden wir eine, motiviert und er­mutigt uns dies natürlich», strahlt Liggenstorfer. «Es ist uns ein Herzensanliegen, jungen Menschen zu Zukunftsperspektiven zu verhelfen.»

• Walter von Arburg, Leiter Kommunikation