Zu schön, um wahr zu sein!

Manchmal geschehen bei uns Dinge, die zu schön klingen, um wahr zu sein. Sie betreffen oft Menschen, bei denen alle Wahrscheinlichkeiten gegen sie sprechen. Die Hilfe vehement ablehnen, weil sie den Glauben an sich und an andere verloren haben. Dann braucht es bisweilen sehr viel Zeit und Geduld.

In unserer Arbeit haben wir betriebsübergreifende Fallbesprechungen, in die wir Anliegen einbringen können. Ziel ist es, aus der Perspektive anderer Betriebe und ihrer Erfahrungen Rückhalt und neue Impulse zu erhalten. 

Im letzten Jahr sprachen wir dort über einen Jungen, nennen wir ihn Noah, der in mehr als nur einer Hinsicht eine stürmische Reise hinter sich hat. Der an keinem Ort länger als ein paar Tage tragbar schien und weggewiesen wurde. Auch bei uns fiel es ihm schwer, zur Ruhe zu kommen. Er liess niemanden an sich heran. Er provozierte das Team und sein Umfeld, wo er konnte. Jeder Tag war ein Kampf. Er verwahrloste, ohne dass wir etwas daran ändern konnten. Es schien, als würde er sich selbst jede Chance auf eine bessere Zukunft absprechen. 

Agoginnen, Sozialarbeiter und Seelsorger sassen am Tisch der Fallbesprechung, und wir erwogen gemeinsam mögliche Optionen. Viele waren es nicht mehr. Sicher war, dass wir ihn nicht allein lassen.

Ein Jahr später hat Noah von sich aus nicht nur sein Bett gemacht, sondern auch das Bett seiner Zimmergspänli. Seine Bezugsperson sah es und konnte es kaum fassen. Eine Abklärung in der psychiatrischen Universitätsklinik war der Wendepunkt: Es wurde eine Diagnose gestellt, und was er hat, ist medikamentös gut behandelbar. 

Es musste weit kommen, bis er zu einer solchen Abklärung bereit war, und vieles ist noch neu für ihn. Bei uns kann er sich jetzt stabilisieren. Das Team, wogegen er noch vor kurzem gekämpft hat, feiert nun jeden seiner Erfolge und unterstützt ihn bei seinen nächsten Schritten. In Gesprächen wirkt er wie ausgewechselt, ist wach und aufmerksam. Er ist jetzt 18 und hat das Leben wieder vor sich. Ich halte fest: Es ist nie zu schön, um wahr zu sein.

• Friederike Rass, Gesamtleiterin