Wir wollen sowohl effizient und sicher als auch menschlich und empathisch sein.

Lydia Naef ist seit drei Jahren Immobilienchefin des Flughafens Zürich. Im Gespräch erklärt sie, was Flughafen und Sozialwerk Pfarrer Sieber miteinander zu tun haben. 

Frau Naef, woher kennen Sie das Sozialwerk Pfarrer Sieber?
Ich habe vom Sozialwerk von Pfarrer Sieber bereits lange vor meiner Tätigkeit am Flughafen Zürich gehört und immer grosse Bewunderung für dessen wertvolle Arbeit. In meiner Rolle als Chief Real Estate Officer der Flughafen Zürich AG durfte ich das Engagement der Stiftung schliesslich näher kennen lernen. Der Kontakt entstand, weil wir nach einer sozialverträglichen und humanen Lösung für die Situation obdachloser Menschen in und um die Flughafengebäude suchten. Dieser Kontakt hat schliesslich auch dazu geführt, dass ich für das Patronatskomitee angefragt wurde. Eine Rolle, die ich gerne angenommen habe.

Was bedeutet Ihnen Pfarrer Siebers Stiftung persönlich?
Die Stiftung ist für mich ein Symbol für Menschlichkeit und Verantwortung. Und heute vielleicht wichtiger denn je. Die Arbeit dieses Sozialwerks und seine Professionalität beeindrucken mich zutiefst. Als Mitglied des Patronatskomitees bin ich Botschafterin der Stiftung, die in erster Linie ein Ort ist, an dem Hilfe nicht an Bedingungen geknüpft ist. Wer in der Immobilienentwicklung tätig ist, betrachtet die Dinge zwangsläufig auch durch die Linse der Stadtentwicklung. Gerade in den zunehmend teureren urbanen Zentren fällt mir immer wieder auf, wie herausfordernd die Situation wird, wenn es an Institutionen fehlt – oder diese unzureichend ausgestattet sind –, die sich den Bedürfnissen benachteiligter Bevölkerungsgruppen widmen.

Warum arbeitet der Flughafen seit Herbst 2017 eng mit dem SWS zusammen?
Tatsächlich wirken Flughäfen auf obdachlose Menschen wie ein Magnet: Sie bieten Wärme, Schutz vor Witterung, Zugang zu Wasser und medizinischer Versorgung sowie eine gewisse Anonymität. Vor 2017 stellten wir eine zunehmende Präsenz von obdachlosen Menschen am Flughafen fest – was sowohl zu Spannungen als auch zu echten sozialen Notlagen führte. Unsere Entscheidung, Übernachtungen nur noch mit gültigem Flugticket zuzulassen, war nur die halbe Lösung. Uns war klar: Wenn wir Menschen vom Flughafen fernhalten, müssen wir ihnen gleichzeitig eine Perspektive bieten. Das erreichen wir durch die Partnerschaft mit dem SWS.

Wie sieht die Zusammenarbeit konkret aus?
Die Sicherheitsmitarbeitenden am Flughafen Zürich sind speziell geschult, um sensibel und respektvoll auf betroffene Personen zuzugehen. Wenn jemand über längere Zeit am Flughafen verweilt, sprechen wir diese Person direkt an – nicht mit dem Ziel, sie wegzuweisen, sondern, um aktiv Hilfe anzubieten. Informationen über die Angebote des SWS zeigen eine niederschwellige Möglichkeit auf, für die Nacht einen Schlafplatz und wenn gewünscht einen Transfer dorthin zu bekommen. Je nach Situation kommen auch unsere Flughafenseelsorgerinnen und -seelsorger zum Einsatz. Im Winter führen wir zudem gezielte Rundgänge um die Flughafengebäude sowie im Park durch, um sicherzustellen, dass niemand in der Kälte übernachten muss. Im Zentrum all dieser Massnahmen steht für uns der respektvolle und unterstützende Umgang mit jedem einzelnen Menschen.

Wie hat sich diese Kooperation bewährt?
Sehr gut. Seit Beginn der Zusammenarbeit konnten wir nicht nur die Zahl der übernachtenden Obdachlosen deutlich reduzieren, sondern auch Hilfe für viele Einzelschicksale vermitteln. Die Mitarbeitenden des SWS leisten einen unschätzbaren Beitrag. Es ist eine Partnerschaft auf Augenhöhe, von der alle profitieren – die betroffenen Menschen, unsere Mitarbeitenden und Passagiere und hoffentlich auch das Sozialwerk.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft? 
Ich wünsche mir, dass wir weiterhin ein Flughafen bleiben, der seine gesellschaftliche Verantwortung wahrnimmt. Das heisst, nicht nur effizient und sicher, sondern auch menschlich und empathisch zu sein. Die Zusammenarbeit mit dem Sozialwerk Pfarrer Sieber ist ein Baustein dafür. Ich wünsche mir diese Haltung – sei es im Umgang mit marginalisierten Gruppen oder in der Förderung von Inklusion, Nachhaltigkeit und Dialog. 

• Die Fragen stellte Walter von Arburg