Wir sind wie eine grosse Familie
Der Pfuusbus ist für Alessandro mehr als eine Notschlafstelle. Er ist für ihn ein Daheim, wo er sich wohl fühlt.
Entschuldige, wenn ich müde und fahrig wirken sollte. Der heutige Tag war eine Tortur. Ich war die ganze Zeit in der städtischen K&A (Anm. der Redaktion: die städtische Kontakt- und Anlaufstelle). Eigentlich wollte ich dort etwas ausruhen, weil es in der Nacht zuvor im Pfuusbus laut und turbulent zu- und herging. Aber auch in der K&A war es hektisch, so dass ich kein Auge zu tat. Nun hoffe ich auf eine ruhige Nacht im Pfuusbus. Du kannst mir glauben, obdachlos zu sein, ist kräfteraubend. Du fühlst dich schwach und hast keine Energie. Bevor ich selbst obdachlos wurde, hatte ich keine Vorstellung davon. Ebenso wenig wusste ich, wie wichtig in einer solchen Situation der Pfuusbus ist. Klar hatte ich früher, als ich als Automechaniker tätig war, aus den Medien vom Pfuusbus gehört. Aber interessiert hatte er mich bis im vergangenen Winter nicht besonders. Ich hatte ja eine Wohnung und einen Job.
Wie schnell es geht und man vor dem Nichts steht, erfuhr ich am eigenen Leib. Weil es körperlich nicht mehr ging, hatte ich als Automech aufhören müssen. Da ich in der Stadt Zürich, wo ich aufgewachsen bin, nichts fand, suchte ich auch ausserhalb. Schliesslich fand ich einen Job in einer Aldi-Filiale und eine Wohnung. Ein Glücksfall. Ich war happy. Ich füllte Gestelle auf, machte die Kasse und sorgte für Ordnung im Laden. Doch auch das war irgendwann zu viel. Ich musste einsehen, dass es mit körperlicher Arbeit nicht mehr geht. Schliesslich war ich aufs Sozialamt angewiesen.
Ein Unglück kommt selten allein. Mein Vermieter kündigte mir, weil er das Haus renovieren wollte. Innert Kürze brach meine Welt zusammen. Zum Glück konnte ich für einige Wochen die Wohnung meiner verreisten Schwester in Zürich hüten. Ich hoffte, vorübergehend in der städtischen Notschlafstelle unterzukommen, bis ich wieder eine Bleibe gefunden habe. Weil ich aber nicht in Zürich, sondern in der Landgemeinde angemeldet bin, ging das nicht. In der städtischen Notschlafstelle kannst du nur schlafen, wenn du in Zürich angemeldet bist. Eine Angestellte machte mich auf den Pfuusbus aufmerksam. Hier fand ich nicht nur einen Schlafplatz, sondern lernte viele tolle Menschen kennen. Es ist wie eine grosse Familie hier. Man kann quatschen, zusammen Spiele machen oder aber einfach schlafen gehen, wenn man so müde ist wie ich gerade.
Aber ich gebe dir gerne Auskunft und nachher hau ich mich aufs Ohr. Schade ist, dass der Pfuusbus tagsüber schliesst und man auf die Gasse muss. Ich fände es super, wenn man hier auch den Tag verbringen könnte. Aber das würde bedeuten, dass es mehr Personal braucht. Na ja, es ist halt, wie es ist. Für mich geht es nun darum, dass ich mich in Zürich anmelden kann und hier ein Zimmer finde. In Zürich habe ich die meiste Zeit meines Lebens verbracht, hier habe ich mein Beziehungsnetz. Wenn es nicht so schnell geht, wie ich es mir erhoffe? Dann wird wohl der Pfuusbus wieder mein vorübergehendes Daheim. Und stell dir vor – ich würde mich darauf freuen, so viel Freundschaft und Zuwendung habe ich hier erfahren!»
• Aufgezeichnet von Walter von Arburg