Das Geheimnis der Socken

Pflegefachmann Jérôme Wyss arbeitet seit Sommer 2015 als Wundexperte im Fachspital Sune-Egge. Im Gespräch gibt er Einblicke in seine Arbeit.

Jérôme, warum braucht es einen Wundexperten?
Weil die uns anvertrauten Menschen aufgrund ihrer körperlichen, psychischen und sozialen Probleme häufig an schlecht bis nicht heilenden Wunden leiden oder die Gefahr droht, dass eine abgeheilte Wunde wieder aufgeht.

Warum heilen Wunden bei unseren Patienten so schlecht?
Wunden heilen von selbst. Wenn dies nicht so ist, liegt der Grund bei einem tieferliegenden Problem. Die Wunde wird dann zu einem Symptom und heilt erst, wenn das ursächliche Problem behoben ist. Da liegt die Limitierung des Behandlungserfolgs. Lassen sich Probleme nicht lösen, heilt auch die Wunde kaum. Unsere Patienten und Patientinnen haben oft viele kaum lösbare Probleme. Ein geschätzter Lehrer in meiner Ausbildung zum Wundexperten pflegte zu sagen: «An jeder Wunde hängt ein Mensch.» Ich denke, darum geht es.

Was ist das Geheimnis der Wundheilung?
Wenn ich das bloss wüsste. Oft sind Heilung bzw. Nichtheilung auch für mich rätselhaft. Was ich aber verraten kann, ist mein Geheimnis der Wundbehandlung: Nie nur die Wunde behandeln, sondern immer den Menschen. Das hat viel mit Fürsorge zu tun. Da gerät der Wundverband schon mal in den Hintergrund und die frischen neuen Socken, welche mein Vater mir immer wieder für unsere Patienten kauft, in den Vordergrund. Eine kleine Geste mit grosser fürsorglicher Bedeutung. Frische Socken? Für viele eine Selbstverständlichkeit, für unsere Patienten nicht. Das Gleiche gilt für den zugewandten, stets auf Augenhöhe ausgerichteten Kontakt zu ihnen. Aber ob das wirklich ein Geheimnis ist?

• Interview: Walter von Arburg