Die Seelsorgegespräche geben Jacques Hoffnung

Mit einem Citroën aus dem Jahr 1946 wollte Jacques beruflich nochmals durchstarten. Corona zerstörte seine Pläne.

Der Citroën 11 CV Légère aus dem Jahr 1946 mit seinem 56 PS starken Motor ist der Stolz von Jacques. Aber er ist - oder war - auch sein Arbeitswerkzeug. Und seine Hoffnung auf einen beruflichen Neuanfang.

Im Herbst des vergangenen Jahres, nach einer schwierigen Lebensphase mit Scheidung, Jobverlust und Arbeitslosigkeit, sah der 61-Jährige unerwartet einen Silberstreifen am Horizont. Er machte eine kleine Erbschaft. Als er kurz darauf ein Inserat eines Autohändlers stiess, kam ihm die zündende Idee: «Ich wollte Hochzeits- und Geburtstagsfahrten im Oldtimer anbieten. Und so wieder unabhängig von der Sozialhilfe werden und finanziell wieder für mich selbst sorgen.» 

Dass für solche Fahrten - erst recht in einem Oldtimer - Nachfrage besteht, weiss Jacques aus seiner Zeit als Taxifahrer. So kaufte er den Citroën. Das Geschäft lief anfangs gut. Doch dann kam die Pandemie und erstickte die Hoffnungen des gebürtigen Genfers, der fliessend Deutsch, Französisch, Englisch und Spanisch spricht. «Corona entzog mir den Boden unter den Füssen», sagt Jacques, der zeitweise bei Freunden unterkommt, bisweilen aber obdachlos ist. «Ich lebe im Moment von der Hand in den Mund.» Den Leuten ist derzeit nicht nach unbeschwerten Ausfahrten. Und die Aussichten sind unsicher.

Als ob Corona nicht schon genug Leid bedeutete, fand Jacques seinen Oldtimer eines Morgens total zerkratzt vor. Wer das getan hat, weiss Jacques nicht. Feinde habe er nicht, sagt er. «Vielleicht war es einer, der dachte, das Auto gehöre einem Reichen», mutmasst er und lächelt bitter.

«Ich lernte, nicht aufzugeben und immer wieder aufzustehen.» 

Dass Jacques den Lebensmut nicht verlor, verdankt er unter anderem Andreas Käser, einem Seelsorger des Sozialwerks Pfarrer Sieber. Ob es Zufall oder Fügung war, dass die beiden sich auf der Strasse begegneten und ins Gespräch kamen, mag Jacques nicht erörtern. Er hat es nicht so mit der Religion. Zu viel in seinem eigenen Leben spricht nach seinem Dafürhalten gegen einen gütigen Gott, der alles zum Guten wendet. Nach ersten Jahren in Genf zogen seine Eltern nach Zürich, wo Jacques sich aber in der Schule als Romand nie akzeptiert fühlte. Später besuchte er eine Handelsschule, arbeitete als Kurier, Metallarbeiter, Magaziner, Schweinezüchter, Übersetzer und Taxifahrer.

Immer wieder geriet der Mann mit dem offenen Blick an Menschen, mit denen er nicht klarkam oder die seine Gutgläubigkeit ausnützten. «Was ich lernte, ist, nicht aufzugeben und immer wieder aufzustehen.» Die vielen Tiefschläge in jüngerer Zeit und schliesslich Corona waren aber auch für das Stehaufmännchen zu viel. Die erste Begegnung mit Andreas Käser kam für Jacques daher wie ein Geschenk des Himmels, an den er eigentlich nicht glaubt. Und weil ihm Andreas Käser neben Gesprächen auch vereinzelte Fahrten vermittelt, schöpft Jacques wieder Hoffnung. Hoffnung darauf, dass wieder mehr Menschen exklusive Oldtimer-Fahrten machen wollen und so sich selbst, aber auch ihm Freude bereiten.

• Walter von Arburg