Medizin gegen die Einsamkeit

Die monatlichen Karaoke-Anlässe in der Sunestube sind beliebt und tun gut.

Der trüben Stimmung trotzen

Es regnet in Strömen. Grau sind Wolken und Gedanken. Gäste tröpfeln einzeln ins kleine Sunestube-Lokal an der Militärstrasse. Die meisten sind müde und abgekämpft vom entbehrungsreichen Leben am Rande der Gesellschaft. Nicht alle sind sie obdachlos – eines aber haben sie gemeinsam: alle sind sie einsam. In der Sunestube finden sie neben einem Plätzchen im Trockenen, wärmendem Kaffee und herzhaften Mahlzeiten vor allem offene Ohren. «Wir sind da, um zuzuhören», sagt Sunestube-Leiterin Christine Diethelm.

Es zählt allein die Freude am Singen

Die meisten Gäste sind in gespannter Erwartung. Dann ist es soweit: der beliebte Karaoke-Abend beginnt. Betreuer Samuel Glausen findet auf Wunsch auch fast Unbekanntes im schier end- losen Playback-Angebot im Internet. An diesem Samstag interpretieren Gäste Songs wie «Amazing Grace» nach einer Interpretation von Ray Charles, «I Say A Little Prayer» von Aretha Franklin und «Stand By Me» von Ben E. King. Viele Sängerinnen und Sänger haben erstaunlich gute Stimmen. Aber nicht alle treffen die Töne. Der «Sunestube- Ray Charles» etwa singt mit Inbrunst, doch in einer sehr freien Interpretation. Schön singen zu können, ist nicht Bedingung, allein die Freude zählt. Das Wagnis, sich zu exponieren, wird mit einem herzhaften Applaus belohnt.

Singen stärkt das Selbstwertgefühl

«Gelungen ist der Anlass, wenn die Leute singen und ich das Mikrofon aus der Hand geben kann», sagt Samuel Glausen. Er, der selber gerne singt und komponiert, will mit den Mit-Sing-Anlässen Freude machen. Aber nicht nur. «Singen berührt eine tiefere Ebene der Emotionen, wirkt wohltuend und oft auch heilend», sagt Glausen. Zudem stärke das Wagnis auch den Selbstwert. Solches fehlt Menschen von der Gasse meist gänzlich. «Wir stellen fest, dass Musik andere Zugänge zu Menschen schafft als Gespräche», sagt Christine Diethelm. «Dank Singen öffnen sich Menschen, die sonst verschlossen bleiben.» (arb)