Gemeinschaft schafft Heimat

So ruhig wie um diese Zeit ist die Langstrasse selten. Nur vor der Sunestube steht schon eine bunte Gruppe Männer und Frauen jeden Alters, manche schwer bepackt, die einen im Gespräch, andere still, etwas abseits. Pünktlich um sechs in der Früh schliesst Sunestube-Leiterin Christine die Tür zum Gassencafé auf, und jeder und jede sichert sich friedlich, aber zielstrebig einen Platz. Es ist heimelig und riecht nach Kaffee; es gibt Zopf, Honig, Käse und Wurst. Später wird der Käse ausgehen, dafür bietet der Zivildienstleistende eine doppelte Portion Nutella an. Ein älterer Herr kommt mir mit Rasierschaum im Gesicht auf dem engen Flur zum WC entgegen und verlässt das Gassencafé wenig später sauber rasiert im frischen Hemd, das ihm Betreuerin Karin aus dem Vorratsschrank geangelt hat. Ein anderer Gast zeigt stolz die Gore-Tex-Stiefel, die in seiner Grösse bei einer Spende dabei waren.

In der Philosophie sagt man, der heutige Mensch sei heimatlos. Es fehle uns durch die Pluralisierung der Perspektiven in der Moderne der gemeinsame Grund. So treiben wir vor uns hin, auf der Suche nach gemeinsamen, verbindlichen Werten, an denen wir uns orientieren und die uns Halt geben können.

In der Sunestube ist davon nichts zu merken. Sie ist ein Ort, der Halt und Orientierung gibt, der für Wärme und Gemeinschaft steht. Die wenigen Regeln, die hier gelten, sind verbindlich. So etwa, dass keine Gewalt akzeptiert wird, weder physische noch verbale. Die Regeln schützen das Miteinander und werden von allen gehütet. Es ist diese Gemeinschaft, dieses Füreinander, die diesen Ort für eine kurze Zeit zur Heimat machen.

Wenn die Sunestube voll ist, schauen manche Gäste, dass sie nicht zu lange bleiben, damit auch andere noch Platz für ein Frühstück haben. Ich weiss, dass sie in eine Welt hinausgehen, die alles andere als warm und friedlich für sie ist.

Es geht um Grundbedürfnisse, und es sind einfache Regeln. Ich frage mich, warum wir sie als Gesellschaft nicht auch ausserhalb dieses kleinen Cafés an der Militärstrasse in gleicher Weise hüten können. Dieses schlichte Füreinander scheint mir ausschlaggebend, Heimat für uns alle zu bieten. • Friederike Rass, Gesamtleiterin

Bild von Armin R., Patient im Fachspital Sune-Egge