Übernachtungsrekord im Pfuusbus

Vom 15. November bis 15. April registrierten wir im Pfuusbus, der Notschlafstelle für einheimische Obdachlose, 6’495 Übernachtungen von 277 verschiedenen Menschen. Das sind so viele wie noch nie – und dies trotz mildem Winter. Auffallend: Im Pfuusbus suchten mehr psychisch Angeschlagene, Suchtkranke und Wohnungssuchende Schutz und einen Schlafplatz als in den Vorjahren.

Der Pfuusbus ist nach wie vor eine wichtige Überlebenshilfe für Obdachlose während der Wintermonate. Dies verdeutlichen die 6’495 Übernachtungen (Vorjahr: 4’965) von 277 (251) Obdachlosen in der abgelaufenen Saison. Die meistbesuchte Nacht war am 18. Januar mit 55 Übernachtungen, die durchschnittliche Belegung lag bei 42. Im Iglu, unserer Notschlafstelle für obdachlose Wanderarbeiter, bewegte sich die Übernachtungszahl mit 3’919 im Bereich des Vorjahres (3’902).

Veränderter Drogenkonsum, überlastete Psychiatrie und Wohnungsnot
Über die Ursachen der Zunahme der Pfuusbus-Übernachtungen können wir derzeit nur Vermutungen anstellen. Indizien deuten darauf hin, dass sich die Drogenszene in Zürich in den letzten Monaten verändert hat. So stellen die Ärzte unseres Fachspitals Sune-Egge fest, dass Patientinnen und Patienten, die früher Kokain gespritzt hatten, die Substanz vermehrt als sogenanntes Crack rauchen, was eine stärkere Abhängigkeit und damit beschleunigte soziale Desintegration zur Folge hat. 

Dass vermehrt psychisch Erkrankte im Pfuusbus Schutz suchen, hängt womöglich mit der Überlastung der Psychiatrie seit dem Ende der Corona-Pandemie zusammen. Patientinnen und Patienten ohne tragfähiges soziales Netz und mit Müh, Verbindlichkeit in Bezug auf Termine und Medikamenteneinnahme einzuhalten, laufen Gefahr, aus dem System zu fallen. 

Schliesslich scheint die sich auf dem Wohnungsmarkt zuspitzende Wohnungssituation bemerkbar zu machen und dürfte zur erhöhten Nachfrage nach Notschlafplätzen beigetragen haben. Wir stellen jedenfalls fest, dass einige Gäste tagsüber einer bezahlten Arbeit nachgingen. Sie hatten ihre prekäre Wohnsituation verloren und wurden von teils von überfor­derten Wohngemeinden an den Pfuusbus verwiesen.

Gegen die Vereinsamung
Die Bedeutung des Pfuusbus als wichtige Noteinrichtung für Obdachlose liegt nicht allein in seiner kostenlosen und niederschwelligen Zugänglichkeit, sondern vor allem in seiner gemeinschaftsbildenden Funktion. Obdachlose sind Einzelgänger und leben von der Gesellschaft isoliert. Einsamkeit ist daher eines der Wesensmerkmale ihres Daseins und für sie existenzbedrohend.[1] Umso mehr schätzen sie daher die Gemeinschaft mit Be­treuerinnen und Betreuern sowie anderen Obdachlosen, die im Pfuusbus gelebt wird. Dennoch ist es nicht selbstverständlich, dass die Atmosphäre im Bus so konfliktfrei ist wie in der jüngsten Saison, beobachten wir in den vergangenen Jahren bei Obdachlosen doch generell eine Zunahme psychischer Erkrankungen. Umso höher ist die Leistung unserer Betreuerinnen und Betreuer einzustufen.

 


[1]Spitzer, Manfred, Prof.Dr.: Einsamkeit – die unerkannte Krankheit. Droemer-Knaur, München 2018