Als Stiftung, die sich um Menschen kümmert, die nicht zuletzt im Umgang mit Alkohol (und anderen Drogen) gescheitert sind, wissen wir, welche katastrophalen Folgen nicht kontrollierter Alkoholkonsum anrichten kann. Betroffene verlieren wegen ihrer Sucht nicht selten jegliche sozialen Kontakte und vereinsamen. Nicht zu reden von den körperlichen und psychischen Schäden, welche die Sucht zur Folge hat. Menschen ohne gefestigte Persönlichkeit und stützendes soziales Umfeld sind umso stärker gefährdet, je einfacher Substanzen wie Alkohol und andere Rauschmittel verfügbar sind.
Die Schattenseite der Party
Wir beim Sozialwerk Pfarrer Sieber erleben die Schattenseiten des Alkohol- und Drogenkonsums täglich in unserer Arbeit. Wir sehen, wie Sucht Menschen zerstört und entmenschlicht. Wir kümmern uns – in der Betreuung und Begleitung Betroffener durchaus suchtakzeptierend – um Opfer des Alkohol- und des Drogenkonsums. Die Suchtakzeptanz hilft Süchtigen, nicht von Unterstützung ausgeschlossen und stigmatisiert zu werden. Auf individueller Ebene leben wir der Schadensminderung nach und versuchen, die Not Einzelner zu lindern. Weil wir das Elend sehen, das Alkohol und Drogen anrichten können, stehen wir auf gesellschaftlicher Ebene jedoch dezidiert für eine nicht zu einfache Zugänglichkeit zu Alkohol und Drogen sowie für eine starke Prävention ein.
Lebensmittel statt Alkohol
Es geht uns nicht darum, Alkohol zu verteufeln. Aber wir wissen, dass jede Nische ohne Alkohol gerade Menschen mit Problemen im Umgang mit dieser legalen Droge eine Hilfe sein kann, nicht in Versuchung zu geraten. Dafür sprechen Untersuchungen von Suchtfachstellen wie z.B. Blaues Kreuz oder Sucht Schweiz. Wenn wir in unserem Betreuungsalltag bedürftigen Alkoholkranken für den Bezug von Lebensmitteln Gutscheine abgeben, dann sind es jene der Migros. Weil die Migros die einzige Detailhändlerin ist, die keinen Alkohol im Sortiment führt und Gefährdete nicht in Versuchung bringt, Alkoholika statt Lebensmittel zu kaufen.
Führet sie nicht in Versuchung
Wir sind uns bewusst, dass mit der Aufrechterhaltung des Alkoholverkaufsverbots in der Migros die Zugänglichkeit zu Alkohol nicht erschwert wird. Wer Alkohol kaufen will, kann dies leicht tun. Wir wissen aber, dass alkoholfreie Nischen für Menschen mit Alkoholproblemen wichtige Orte sind, nicht in Versuchung gebracht zu werden.
Gesundheit statt Profit
Bei der Aufhebung des Alkoholverkaufsverbots in den Migros-Filialen geht es um viel Geld. Bislang widerstand die Migros in achtenswerter Manier der Verlockung des lukrativen Alkoholverkaufs, der die Konkurrenz auf dem Markt leider längst erlegen ist. Es ist uns klar, dass die Verlockung immer stärker wird, je mehr die Konkurrenz auch wegen des Alkoholverkaufs aufholt. Doch die in Frage gestellte Marktposition der Migros allein dem Umstand zuzuschreiben, dass die Konkurrenz Alkoholika verkauft, während der orange Riese dies gemäss den Idealen seines Gründers bislang nicht tut, verschleiert die komplexen Zusammenhänge im Detailhandel und auf die Rentabilität drückende Managemententscheidungen bei der Migros.
Ein Nein hilft auch der Migros
Wir bitten die Genossenschafterinnen und Genossenschafter der Migros, an der Abstimmung im Mai teilzunehmen und aus Rücksicht auf Alkoholkranke und trockene Alkoholiker/innen ein Nein in die Urnen zu legen und damit dafür zu sorgen, dass Betroffene in der Migros weiterhin ein Refugium haben, in welchem sie nicht in Versuchung gebracht werden, Alkoholika zu kaufen. Ein Nein hilft der Migros, ihre Tradition in der Gesundheitspolitik der Schweiz im Sinne von Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler fortzuschreiben. Mit einem Nein behält die Migros letztlich auch ihr wichtiges, sympathisches Alleinstellungsmerkmal. Wir danken allen, die ein Nein in die Urnen legen!